Walter Menzlaw schafft Räume
Autor und Regisseur Walter Menzlaw ist nur noch bis zum 31.12.2025 Mitglied im Kollektiv des Chawwerusch Theaters. Als Gründungsmitglied und nach 41 Jahren Chawwerusch-Arbeit mit Leib und Seele möchte Walter etwas kü
rzer treten und nur noch beratend oder als Gastregisseur oder ‑autor beim Chawwerusch arbeiten. “Nach all den Jahren, vielen schönen Theaterstunden und intensiven Begegnungen im Rahmen von zahlreichen Projekten gehe ich natürlich nicht ohne eine Träne aus dem Chawwerusch-Kollektiv, aber ich freue mich auch auf den zusätzlichen Raum, den ich dadurch gewinne. Und ich glaube, auch für Chawwerusch eröffnet sich dadurch Raum für andere Menschen, Ideen zu entwickeln und Dinge voranzutreiben. Mir war und ist die Entwicklung einer Zukunftsperspektive mit Nachwuchskolleg*innen sehr wichtig. Ich wünsche mir eine nahtlose Nachfolge und Erneuerung.” sagt Walter.
Nicht nur für ihn, auch für alle hier am Theater geht damit eine Ära zu Ende.
Für den kreativen Raum, den du mit jeder einzelnen Produktion eröffnet und gehalten hast, danken wir dir mit unserer ganzen Theaterseele.
Für deinen unermüdlichen Einsatz für unser Theater, für die durchgearbeiteten und durchfieberten Nächte und dein immer selbstloses Engagement für die Vielzahl an Produktionen, die du bei uns als Regisseur, Autor, Dramaturg und Theaterpädagoge initiiert, vorangetrieben oder unterstützt hast, sagen deine Chawweruschler*innen 1000 Mal “DANKE”, lieber Walter!
Stimmen aus dem Chawwerusch-Kollektiv
Man sieht es ihm nicht an, aber Walter ist ein unruhiger Theatergeist.
Walter ist es im Laufe seiner fast fünfzigjährigen Theaterarbeit gelungen seinem den Spielenden zugewandtem Regiestil treu zu bleiben, sich gleichzeitig immer wieder neu zu erfinden und herauszufordern.
Er hat den Grundstein für ein ganzes Theaterformat geliefert, „Klassiker reloaded“: Bekannte Stücke und Stoffe werden von einem bis auf den Kern reduziertem Ensemble frei und ungewöhnlich interpretiert. Es erinnern sich noch viele Zuschauende an das Bestseller-Stück „Zauberflöte pur“, das Walter 1992 schrieb und inszenierte. Mozarts Oper, gespielt und gesungen auf einem knallgelben kleinen Zirkuspodest, das ewige Theater zwischen Frau und Mann. Eine Ziehflöte, zwei Tücher, zwei schwarze Stühle – in maximal einer Stunde stand das Bühnenbild und die Beleuchtung, wir konnten nahezu überall spielen, in Kneipen oder auf Bühnen. Ein Stück, magisch durch seine Einfachheit. Ein Stück von dem ich heute noch träume. Danke Walter, dass ich auch in der zweiten Inszenierung dieses Stück tangotanzend neu miterfinden durfte.
(Felix S. Felix, Schauspielerin und Kollektivmitglied von Chawwerusch)Eine meiner allerliebsten Lieblingsfiguren ist und bleibt die „Eva Rosina“ aus „Heimwärts in die Fremde“ (1995). Ich bin immer noch beeindruckt, wie es Walter geschafft hat, dieser Figur Leben einzuhauchen. Nur zwei oder drei Sätze haben wir bei unserer Recherche über diese Frau finden können. Walter hat mit seinem Stücktext und seiner Inszenierung einen Menschen geschaffen, der neugierig in die neue Welt geht und trotz aller Widrigkeiten nicht aufgibt. Walters große Stärke ist es, ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Temperamenten zu einem Ensemble zusammen zu bringen. Ein Ensemble, das gemeinsam auf Gerüsten rumklettert, dabei spielt, singt und sogar noch mit Instrumenten und Pistolen hantiert. Auch wenn der Weg zuweilen etwas steinig ist, Walter gibt nicht auf.
Lieber Walter, danke dafür!
(Monika Kleebauer, Schauspielerin und Kollektivmitglied von Chawwerusch)Gern erinnere ich mich an die zauberhafte Zusammenarbeit mit Walter bei der Produktion „Grimm und Gretel — oder die Suche nach dem Schatz“ (2016). Es war das erste Stück, das Walter geschrieben und inszeniert hat, bei dem ich mitgewirkt habe. Großartig fand ich bei der Arbeit rückblickend, wie es Walter gelungen ist, den Balanceakt zwischen Innerlichkeit der Figuren und starken äußeren Formen zu inszenieren. Wenn ich mir die Fotos anschaue, bekomme ich gleich wieder Lust, märchenhafte Geschichten mit Walter zu erfinden.
(Stephan Wriecz, Schauspieler und Kollektivmitglied von Chawwerusch)
Stimmen aus dem Chawwerusch Büro
Ich erinnere mich gern an die Premiere von „Animal Farm“ (2023). Walter hat den Roman für die Bühne bearbeitet und die Fassung mit vier Spielenden bei uns inszeniert. Gleich am Anfang der Aufführung forderten die Schauspieler*innen das Publikum auf, Tiergeräusche zu machen: zu Grunzen wie Schweine, zu Gackern wie Hühner, zu Blöcken wie Schafe … Eben wie auf einer Tierfarm, einer „Animal Farm“. Ich dacht noch: „Das klappt doch nie!“ Aber die Zuschauenden haben das dann prompt und mit Freude gemacht. Ich fand das sehr mutig und habe Walter danach darauf angesprochen. Der hat gelacht und lässig abgewunken mit den Worten: „Ach, sowas funktioniert immer!“ Walter ist einfach ein alter Hase im Theatergeschäft!
(Claudia Dudenhöffer, Kultur-Managerin bei Chawwerusch)Ich habe Walter immer als einen sehr angenehmen und liebenswerten Kollegen empfunden. Frei von Eitelkeit, Launenhaftigkeit, Besserwisserei. Meine Lieblingsinszenierung von Walter war/ist Hamlet. Nur zwei Schauspieler decken das ganze Personenkarussell ab, das Stück hat Tempo und Witz und kommt überhaupt nicht verstaubt rüber. Toll!
(Anke Trinkemeier, ehemalige langjährige Mitarbeiterin im Chawwerusch-Büro)Walter war für mich ein zuverlässiger und aufrichtiger Kollege. In seinen Theaterstücken, sei es als Autor oder Regisseur, hat er immer meine Neugier auf das, was kommt, geweckt. Er hat sich nie überbewertet und ich war stets überzeugt, dass seine Arbeit, trotz der verschiedenen Themen der Theaterstücke – politisch, komisch oder über geschichtliche Ereignisse – gelingt. Eins meiner vielen Lieblingsstücke von ihm ist „Maria hilf – Theaterstück über eine Mutter, eine Tochter und eine unbezahlbare polnische Perle“ (2017). Es ist ein sehr emotionales Theaterstück zum Nachdenken, mit Tiefe und Komik. Ein Stück mit Herz und Humor, stellvertretend für tausende Betroffene. Ich habe geweint und gelacht. Insgesamt habe ich das Stück glaube ich viermal angeschaut.
(Elke Lauth, langjähriger Dreh- und Angelpunkt des Theaterbüros)
Walter und das Chawwerusch Theater
Walter Menzlaw gründete 1984 (u.a. mit Ben Hergl, Felix S. Felix und Monika Kleebauer) das Chawwerusch Theater.
In der künstlerischen Arbeit prägte er als Hausregisseur und ‑autor maßgeblich die heute bei vielen Stücken immer noch praktizierte Produktionsform: nach gemeinsamer Recherche erfolgt ein Austausch in der sog. “Dramaturgischen Werkstatt”, in der anschließenden “Improvisationsphase” wird dazu auf der Bühne ausprobiert, im Anschluss wird das Stück geschrieben. Bei knapp 80 der rund 130 Chawwerusch-Produktionen war er als Regisseur, Autor, Dramaturg oder Theaterpädagoge beteiligt und prägte somit maßgeblich den “Chawwerusch-Stil”.
Zwischen 1984 und 1998 arbeitete das Leitungskollektiv noch ohne klare Geschäftsbereiche. Walter übte zu dieser Zeit Tätigkeiten in der künstlerischen Leitung sowie in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aus, natürlich in enger Abstimmung mit dem restlichen Kollektiv. Ab 1998 wurde er dann gemeinsam mit Ben Hergl vom Kollektiv gewählter “künstlerischer Leiter” des Chawwerusch Theaters. Zu diesem Bereich gehörte damals auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 2004 legte er sein Amt als künstlerischer Leiter nieder, die Presse und Öffentlichkeitsarbeit verantwortete er jedoch weiter bis 2014. Seit 2004 konzentrierte er sich vermehrt auf die künstlerische Arbeit. Viele weitere Produktionen unter seiner Regie und aus seiner Hand entstanden, zudem engagierte er sich verstärkt bei Großprojekten mit Amateur*innen, in denen regionale Geschichte recherchiert, dramatisiert und inszeniert wurde. Als Kollektivmitglied war Walter weiterhin in das Alltagsgeschäft hinter den Kulissen eingebunden. Nun zieht er sich zum Jahresende vollends aus der administrativen Arbeit zurück, so dass noch mehr Raum für die Kunst und für das restliche Leben bleibt.
Wir freuen uns auf das nächste Projekt mit dir, Walter!